Was hat dazu beigetragen, dass der kvgOF Hopper so schnell angenommen wurde? Und lohnt sich das neue Angebot auch in Krisenzeiten? Ein Auszug aus unserem Expertengespräch aus der Webinar-Reihe Lab4Mobility.
#DaSein — ein Versprechen, das der öffentliche Nahverkehr auch zu diesen besonderen Zeiten hält. Dabei ist der Einklang von Daseinsvorsorge und Digitalisierung Herausforderung und Chance zugleich. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt daher die Entwicklung und Etablierung digital gesteuerter Ridepooling-Angebote, denn die Ergänzung traditioneller Linienverkehre durch flexible, nachfragebasierte Pooling-Dienste ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu innovativen und nachhaltigen Nahverkehrskonzepten. Ein Erfolgsmodell stellt in diesem Zusammenhang das Ridepooling-Angebot der Kreisverkehrsgesellschaft Offenbach (kvgOF) mit dem Namen kvgOF Hopper dar, das gemeinsam mit door2door im vergangenen Jahr ins Leben gerufen wurde.
Für die zweite Ausgabe unserer Lab4Mobility Webinar-Reihe „Innovation und Daseinsvorsorge in besonderen Zeiten” haben wir den Geschäftsführer der kvgOF, Andreas Maatz, sowie door2door Projektleiterin Theresa Mayer eingeladen, von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen zu berichten. Lesen Sie hier einen kurzen Ausschnitt aus dem Interview mit Katja Diehl als Moderatorin oder folgen Sie weiter unten dem Link zum vollständigen Mitschnitt des Webinars.
Innovativ und nachhaltig: der kvgOF Hopper
Der Hopper ist ab dem Zeitpunkt der Umsetzung innerhalb von nur 12 Wochen an den Start gegangen. Welche Herausforderungen und Erkenntnisse hat die Erweiterung des Angebots um den Hopper mit sich gebracht? Was war nötig, um das Projekt erfolgreich zu machen?
Andreas: Ich habe meinem und dem Team von door2door durchaus sportliche Ziele gesetzt. So war ich überzeugt, dass wir gemeinsam innerhalb kurzer Zeit einen Service für drei Kommunen etablieren können, der unter eigenem Namen und eigenem Design fährt und seine Verbindung zu unserer Region auch optisch bekennt. So sind wir im Sommer letzten Jahres mit dem Hopper „unter rollendem Rad” gestartet.
Ich kann jedem nur empfehlen, den Zeitpunkt genau zu wählen und gezielt auf den Tag hinzuarbeiten, denn ein neues digitales Angebot einzuführen, erfordert echten Pioniergeist. Die Lernkurve bei Software, Betrieb, Personal, Fahrzeugen, Organisation, Genehmigung und bei vergaberechtlichen Themen ist enorm hoch. Man muss neue Wege gehen und Mut zur Lücke haben. Ganz deutlich ist aber auch: Software ist nicht alles. Die beste Technik hat keinen Effekt, wenn sie nicht von Menschen eingesetzt wird, die an einem echten Erfolg interessiert sind, weil jede Technik nur dann hilft, wenn sie die Bedürfnisse der Kunden abdeckt. Hier hat es ungeheuer geholfen, dass Theresa in die Projektsteuerung eingestiegen ist und uns als externe Unterstützung den Ablauf koordiniert hat.
Theresa, ab welchem Zeitpunkt bist du in das Projekt eingestiegen und was waren deine ersten Aufgaben?
Theresa: Ich bin im April eingestiegen, als die kvgOF bereits in der Umsetzungsphase war. Meine Aufgabe war es insbesondere die Software entsprechend zu konfigurieren. Wir haben gemeinsam das Standard-Paket besprochen und Elemente entsprechend angepasst. Da gehören Betriebsgebiet, Betriebszeiten aber auch das Branding zu. In der Zeit haben wir auch sehr intensiv an der Marke des Hoppers gearbeitet und diese gemeinsam entwickelt.
Neben den Terminen mit den Genehmigungsbehörden ging es dann auch relativ schnell in die Planung des Feldtestes, sprich die Erprobung der Software im Live-Setting. Hierfür haben wir die Fahrer und die Disponenten im Umgang mit den einzelnen Komponenten der Software trainiert, also die Betriebssteuerung, Fahrgast- und Fahrer-App im Live-Setting erprobt. Außerdem haben wir Tester aus den Kommunen eingeladen, denn gerade bevor wir an den Start gehen, ist das Feedback und die Meinung der Nutzer sehr entscheidend.
Wie sah die Projektzusammenarbeit aus und was waren für dich die größten Learnings?
Theresa: Was die Zusammenarbeit mit der kvgOF sehr schön zeigt, ist wie wir uns bei door2door verstehen: Wir sehen uns nicht als Softwaredienstleister, sondern vielmehr als Partner des ÖPNV. In dem Zusammenhang war die Zeit vor Ort in Dietzenbach unheimlich wertvoll und lehrreich, zum einen für mich persönlich, aber auch für door2door als Unternehmen. Umgekehrt habe ich den Eindruck, dass auch die kvgOF von dieser Symbiose stark profitiert hat. Es sind in vielerlei Hinsicht zwei Welten aufeinander geprallt und jeder hat von den Erfahrungen, den Kompetenzen und vielleicht auch der Arbeitsweise des anderen etwas lernen können. Wir von door2door sehen uns nicht als Softwaredienstleister, sondern vielmehr als Partner des ÖPNV.
Das heißt aber auch, dass sich beide Seiten aus ihrer Komfortzone heraus bewegen mussten. Wenn ich mich an meinen ersten Tag bei der kvgOF zurück erinnere, habe ich das Büro von Klaus im Kopf — Papierstapel bis unter die Decke. In dem Moment habe ich mich gefragt: Wie soll ich hier nur ein digitales Angebot einführen? Aber genau diese Erfahrungen sind wichtig für uns bei door2door: raus aus der Berliner Tech-Blase, rein ins echte Leben. Wir mussten lernen, dass eben nicht jeder Bürger in Deutschland ein Smartphone oder eine Kreditkarte besitzt und wir eben genau für diese Menschen Lösungen entwickeln müssen. Unser Ziel ist es, Angebote zu entwickeln, die im Sinne der Daseinsvorsorge für jeden zugänglich sind. Um diese Einblicke zu gewinnen, ist eine branchenübergreifende Kooperation besonders wichtig.
Andreas, mittlerweile ist das „Hoppern” zu einem gängigen Begriff im Ostkreis geworden. Was hat dazu beigetragen, dass der Hopper so schnell angenommen wurde?
Andreas: So ein Angebot ist etwas Lokales und muss von der Bevölkerung als ihr Produkt angenommen werden. Das Branding und die Namensgebung waren daher ausschlaggebend für den erfolgreichen Start des neuen Angebots im Ostkreis. Wir haben lange überlegt, wie wir das neue Produkt nun nennen sollen und auch beim Design haben wir großen Wert darauf gelegt, den Charakter des Kreis Offenbach so realitätsnah wie möglich abzubilden. Das hat sich ausgezahlt: Der Hopper ist in aller Munde. Er hat sich in kurzer Zeit bei den Menschen im Ostkreis etabliert und wird von allen Generationen angenommen.
Ich freue mich immer wieder, wenn ich unseren „kleinen Bus, der immer kann” auf der Straße sehe. Meine Familie und Freunde sind große Fans, aber auch unsere Fahrgäste identifizieren sich mit dem lokalen Angebot. door2door’s Expertise in der Markenentwicklung hat erheblich dazu beigetragen, dass unsere Fahrzeuge ein echter Hingucker im Straßenbild geworden sind und als „Premium” wahrgenommen werden.
Welchen Wunsch hast du an die Städte und Landkreise, die gerade zuhören und vielleicht noch zögern, jetzt in der Krise ein Ridepooling-Angebot einzuführen?
Theresa: Ich denke, dass Kommunen gerade die Krise nutzen müssen, um über strategische Partnerschaften nachzudenken. Jetzt ist die Zeit, neue Wege einzuschlagen und innovative Mobilitätskonzepte auf den Weg zu bringen. Denn letzten Endes geht es nicht nur darum, Ridepooling zu implementieren, sondern Mobilität vielmehr im Sinne eines Gesamtkonzepts zu verstehen. Das ist zum einen im Sinne der Daseinsvorsorgen, zum anderen aber auch im Sinne der Verkehrswende wichtig. Gerade die Corona-Pandemie macht deutlich wie viel Einfluss eine erfolgreiche Verkehrswende auf den Klimawandel haben kann. Unser gemeinsames Ziel ist es daher, den Weg für eine Verkehrsverlagerung hin zu einem vernetzten, digitalen und nachhaltigen ÖPNV zu ebnen — und zwar jetzt!
Jetzt ist die Zeit, neue Wege einzuschlagen und innovative Mobilitätskonzepte auf den Weg zu bringen. Der ÖPNV muss die Gunst der Stunde nutzen und branchenübergreifende Kooperationen in die Wege leiten. Die Verkehrswende umzusetzen und weiter voranzutreiben, wird nicht der Erfolg eines Einzelnen sein, sondern von denjenigen gefördert, die ihre Kompetenzen bündeln. Eine Erkenntnis aus dieser Pandemie: Alleine schafft man es nicht. Gewisse Unsicherheiten bestehen und keiner kann voraussehen, was in den nächsten Monaten passiert, aber das sollte niemanden davon abhalten, zu handeln und es einfach mal auszuprobieren.
Andreas: Genau, einfach mal machen!