Veröffentlicht am 17. Juni 2020

Seit Mai 2020 ist das swaxi der Stadtwerke Augsburg (swa) auf den Straßen. Wie ist es, einen neuen On-Demand-Service mitten in einer Pandemie auf die Straße zu bringen? Lesen Sie hier das Interview mit Julia Boxler (swa) und Theresa Mayer (door2door).

CoronakriseEin Großteil der Kommunikation wurde aufgrund der Coronakrise digital durchgeführt.

Seit März befinden sich die Mitarbeiter von door2door im Homeoffice. Ein Austausch mit den Partnern war daher lange Zeit nur digital möglich. Trotzdem schafften es die Stadtwerke Augsburg (swa) zusammen mit door2door mitten in der Krise einen neuen Ridepooling-Service auf die Straße zu bringen: Das swaxi beförderte im Mai und Juni zunächst ausschließlich Angestellte der Uniklinik Augsburg und leistete damit einen gesellschaftlichen Beitrag in Zeiten der Krise. Ab Juli soll der Testbetrieb auf alle Zielgruppen erweitert werden. Theresa Mayer, Projektleiterin bei door2door, und Julia Boxler, Innovation und Digitalisierung bei den swa, berichten im Interview von den Herausforderungen und Erfolgen der Zusammenarbeit.

Die Stadtwerke Augsburg stellen unter den deutschen Verkehrsunternehmen eine Besonderheit dar, da sie eine Vielzahl an Mobilitätsangeboten aus einer Hand anbieten. Wie kam es zu dieser strategischen Ausrichtung und welche Intention steckt dahinter?

Julia Boxler: Die Stadtwerke bieten neben Bus und Straßenbahn auch Carsharing und Bikesharing an. Ziel ist es, eine nachhaltige Mobilität zu ermöglichen und das Angebot so attraktiv zu machen, dass auf den privaten PKW verzichtet werden kann. Wir möchten die Verkehrswende ganzheitlich angehen und umsetzen.

Der Vorteil ist, dass wir in Augsburg all unsere Mobilitätsformen bündeln können und optimal aufeinander abstimmen. Anfangs werden wir fürs Ridepooling die Carsharing-Flotte einsetzen. Somit sind vorerst keine Neuanschaffungen von Fahrzeugen notwendig.

Ridepooling soll die optimale Ergänzung zum klassischen ÖPNV werden. Gerade in Gebieten wo unser Angebot nicht ganz so attraktiv ist, zum Beispiel für Randgebiete und –zeiten, möchten wir für unseren Kunden da sein. Aber auch als ganz neue Mobilitätsform sollen unsere Kunden bequem an ihr Ziel kommen, ganz ohne Umsteigen. Durch Pooling schonen wir Ressourcen und unterstützen somit unser ökologisches Ziel, Treibhausgasemissionen einzusparen.

Wann gab es die ersten Kontakte mit Augsburg und wie gestalteten sich die ersten Schritte? War es ungewohnt, dass es hier nicht nur die „klassischen Mobilitätsservices” gab, sondern umfassend gedacht wurde?

Theresa Mayer: Der erste Kontakt kam über den Clean Air Day 2018 zustande, ein Experten-Event für saubere Luft in Städten, das einmal im Jahr in Augsburg stattfindet. In einer Reihe von Speed-Pitches wurden die Teilnehmer aufgefordert ihre innovativen Lösungen zur Reduktion von verkehrsbedingtem CO2-Ausstoß zu präsentieren. Wir konnten mit unserem Konzept überzeugen und wurden daraufhin zu einem Gespräch mit Vertretern der Stadt Augsburg und den Stadtwerken Augsburg eingeladen.

Theresa Mayer

door2door Projektleiterin Theresa Mayer

So kamen die ersten Gespräche zustande und die Stadtwerke Augsburg haben daraufhin begonnen, die Idee ein Ridepooling-Angebot in Augsburg zu etablieren, zunächst intern weiterzuentwickeln. Unser Ziel bei door2door ist es, den ÖPNV zu stärken und durch gute Alternativen in diesem Bereich den individuellen PKW-Verkehr zu minimieren. Die Grundidee der Stadtwerke Augsburg, Mobilität als Gesamtkonzept zu verstehen, bei welchem der ÖPNV das Rückgrat bildet, hat uns daher von Beginn an begeistert. Insofern konnten wir auf dem Konzept der Stadtwerke Augsburg sehr gut aufbauen und dieses unter Berücksichtigung unserer Expertise bei der Umsetzung von Ridepooling-Angeboten gemeinschaftlich weiterentwickeln.

Worauf basierte die Entscheidung, zunächst klein mit einer Testgruppe zu starten? Wie wurde auf die Pandemie reagiert?

Julia Boxler: Da wir uns erst langsam an den Markt rantasten und Spielraum für Optimierungen haben möchten, werden wir zunächst mit einem kleinen Angebot auf die Straße gehen. Innovative Produkte können auch mal scheitern bzw. müssen geändert werden können. Somit bleiben wir gerade in der Anfangsphase flexibel. Für uns ist das Produkt genauso neu wie für die Augsburger. Wir müssen zunächst lernen und Erfahrungen sammeln. Das fällt in kleinem Rahmen leichter. Nicht zuletzt stecken natürlich auch wirtschaftliche Faktoren dahinter. Der Testbetrieb ist nämlich kostenlos für den Fahrgast.

Während swaxi im Einsatz ist, entwickeln wir zusammen mit door2door das Produkt weiter. Das Kundenfeedback ist uns sehr wichtig, um möglichst genau auf die Bedürfnisse der Fahrgäste eingehen zu können. Die Zufriedenheit der Kunden steht für uns immer im Mittelpunkt.

Beinahe hätten wir die Umsetzung der ersten Testphase aufgrund der Corona-Krise nicht umsetzen können bzw. auf unbestimmte Zeit nach hinten verschieben müssen. Dann kam bei uns die Idee auf, den Service medizinischem Personal zur Verfügung zu stellen. Das Projekt gewann wieder an Wind und mit einer lediglich zweiwöchigen Verzögerung konnten wir mit unserem Produkt auf die Straße gehen.

Augsburger swaxi

Das Augsburger swaxi beförderte im Mai und Juni ausschließlich medizinisches und Pflegepersonal.

Dabei musste das Betriebsgebiet leicht verändert werden. door2door hat für eine schnelle technische Umsetzung gesorgt. Des Weiteren waren aufgrund der Pandemie einige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, zum Beispiel das Pooling zu deaktivieren und die Fahrt mit maximal einem Fahrgast durchzuführen.

Nach einem sechswöchigen Betrieb konnten wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen und starten nun einen neuen Use Case. Wir passen die Fahrzeiten an und werden den Service zunächst unseren Abokunden zur Verfügung stellen.

Was waren für door2door in diesem Projekt die größten Herausforderungen, als entschieden wurde, hier eine neue geschlossene Nutzergruppe in den Fokus zu nehmen — das Klinikpersonal?

Theresa Mayer: Zunächst sollte das Angebot ja ausschließlich Studenten und Abo-Kunden zugänglich gemacht werden und war als Verstärkung für den Nachtbetrieb gedacht. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen war dieses Szenario natürlich so nicht mehr umsetzbar. Das ursprünglich angedachte Szenario musste kurzfristig an die neue Situation angepasst werden. Anstelle der Studenten und Abo-Kunden, die ursprünglich den Kreis der geschlossenen Nutzergruppe bilden sollten, hatten die Stadtwerke Augsburg die Idee, ausschließlich medizinisches Personal zu befördern. Eine großartige Initiative, die wir unbedingt unterstützen und gemeinsam mit den Stadtwerken umsetzen wollten!

Die Herausforderung lag nun insbesondere daran, die Produktkonfigurationen, die ja bereits für das ursprüngliche Szenario eingerichtet waren, in sehr kurzer Zeit auf das neue Szenario anzupassen. Nachdem das Uniklinikum in Kriegshaber außerhalb des anfänglich anvisierten Betriebsgebiets lag, musste dieses entsprechend erweitert und um ein flächendeckendes Netz an Haltestellen ergänzt werden.

Auch andere Parameter wurden im Backend unserer Software an das neue Einsatzszenario angepasst. Zudem sollte sichergestellt werden, dass sich ausschließlich medizinisches und Pflegepersonal in der Fahrgast-App registriert und eine Fahrt buchen kann. Dies konnten wir durch die Anpassung unseres Registrierungsprozesses in der Fahrgast-App realisieren. Die Fahrgäste können sich nun durch Eingabe eines Codes registrieren, welchen sie über Ihren Arbeitgeber, in diesem Fall das Uniklinikum in Kriegshaber, mitgeteilt bekommen. Aus technischer Perspektive war die Anpassung der Produktkonfigurationen keine große Schwierigkeit, lediglich der Faktor Zeit hat uns in diesem Zusammenhang ein wenig gefordert. Nachdem jedoch die Dringlichkeit der Umsetzung außer Frage stand, haben wir das Augsburger Projekt intern priorisiert, um entsprechend flexibel und schnell auf die neue Situation reagieren zu können.

Du hast mit dem swaxi ein innovatives Angebot in einem Umfeld etabliert, das noch am Anfang der Digitalisierung steht. Welche Tipps kannst du anderen geben, die gerade in Konzernen und großen Unternehmen den digitalen Wandel vorantreiben?

Julia Boxler: Auf jeden Fall viel Durchhaltevermögen. Meine Devise ist niemals aufgeben. Wichtig ist, sich von Gegenmeinungen nicht demotivieren zu lassen. Veränderungen lösen oft Ängste und Bedenken aus. Vieles ist ungewiss. Daher ist Geduld, ein langer Atmen und viel Überzeugungsarbeit gefordert. Letztendlich geht es darum, mutig zu sein und etwas zu wagen, ohne alles bis in kleinste Detail gelöst und geplant zu haben. Entscheidend ist außerdem die starke Rückendeckung der Geschäftsführung.

Es ist hilfreich, Protoypen zu erschaffen und frühzeitig kleine Tests durchzuführen, um nahe an der Praxis zu bleiben. Das Produkt wird in kleinen Schritten optimiert. Der Kunde steht dabei stets im Mittelpunkt. Immer wieder versuchen wir uns in ihn hineinzuversetzen, um ein einfaches und sinnvolles Produkt zu erschaffen, das die Bedürfnisse der Augsburger deckt. Der Kunde soll den Mehrwert erkennen und Spaß am Mitfahren haben.

Was hat door2door gemeinsam mit den Stadtwerken bewältigen müssen und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Theresa Mayer: Neben den kurzfristigen Anpassungen der Software, die aufgrund des neuen Szenarios umzusetzen waren, galt es in diesem Zusammenhang auch, auf der operativen Seite agil und flexibel zu reagieren: Beispielsweise musste für den entsprechenden Schutz der Fahrer und Fahrgäste durch einen Spuckschutz gesorgt werden. An dieser Stelle konnten wir mit unserem Netzwerk gut unterstützen, sodass entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden konnten.

Die Zusammenarbeit war insgesamt in diesem Zusammenhang und auch allgemein sehr partnerschaftlich und lösungsorientiert, sodass wir von door2door uns weniger als Dienstleister der Stadtwerke verstanden haben, sondern vielmehr den Eindruck hatten, gemeinschaftlich nach Lösungen zu suchen und an einem Strang zu ziehen. Die Stadtwerke Augsburg und door2door teilen dieselbe Vision: Die Stadt wieder zu einem Erlebnisraum für Menschen zu machen und den motorisierten Individualverkehr drastisch zu reduzieren. Diese gemeinsame Vision resultiert in gemeinsamem Handeln und dem Ziel, ein umweltfreundliches und zukunftsorientiertes Mobilitätsangebot zu schaffen. Der Pioniergeist und die Machermentalität der Stadtwerke Augsburg in der Umsetzung des Projekts swaxi haben uns erneut darin bestätigt, mit den Stadtwerken den richtigen Partner an der Seite zu haben, wenn es darum geht, innovative Mobilitätsangebote zu kreieren und umzusetzen.

Julia Boxler und Theresa Mayer

Julia Boxler, Innovation und Digitalisierung bei den swa (links) und Theresa Mayer, Projektleiterin bei door2door (rechts)

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