door2door Co-Gründer und Geschäftsführer Dr. Tom Kirschbaum sieht Zäsuren als reichen Nährboden für Veränderung. Die aktuellen Veränderungen sieht er als Chance für den öffentlichen Nahverkehr. Lesen Sie hier sein Statement:
Sicher hat sich auch bei Ihnen der Alltag seit März sehr verändert, einschließlich eines ganz anderen Mobilitätsverhaltens. Wir sind weniger unterwegs und die Wege, die wir unternehmen, stellen sich anders dar — weniger Verkehr, weniger Mitreisende, andere Verkehrsmittel. Niemand von uns hat sich vorstellen können, wie sehr die Welt auf den Kopf gestellt wird und auch nicht, dass manches davon sich heute schon wieder fast wie eine neue Routine anfühlt.
Ohne Zweifel ist diese Zeit wie kaum eine zuvor für viele von uns fordernd und mit Ungewissheit und auch mit Einschränkungen verbunden. Zäsuren sind schmerzhaft, jedoch auch ein reicher Nährboden für neue Ideen und Bewegung. Ein persönliches Beispiel: Vor 10 Jahren legte der Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull auf Island den Reiseverkehr in Europa lahm. Betroffen von den Einschränkungen stellten Maxim Nohroudi und ich uns die Frage, wie die Zukunft der Mobilität aussehen kann. Gemeinsam gründeten wir door2door, um Technologie und Dienstleistungen für nachhaltige, attraktive Mobilität zu entwickeln.
Daseinsvorsorge auch in der Krise
Keine Frage: In der Coronapandemie ist die Zäsur für uns alle ungleich größer als beim Vulkanausbruch in 2010. Auch für den Verkehr sind erhebliche Veränderungen zu verzeichnen. Manche davon werden nach kurzer Zeit wieder verschwinden, manche werden dauerhaft die Welt verändern. Ich bin überzeugt: Mehr denn je liegt es an uns zu entscheiden, wie Mobilität in Zukunft gestaltet sein wird. Keinen Zweifel gibt es dabei für mich bei der Frage, ob Menschen mobil sein werden. Der soziale Umgang, ob privat oder beruflich, wird ein elementarer Bestandteil unseres Miteinanders bleiben. Dabei wird der öffentliche Nahverkehr auch weiterhin eine besondere, ja die entscheidende Rolle spielen bei der Frage, ob das Ziel der Daseinsvorsorge — Mobilität für jeden Menschen — mit den vor uns liegenden Herausforderungen und vor allem mit den dynamischen Innovationen und Chancen der Digitalisierung in Einklang zu bringen ist. Unser Anspruch bei door2door ist es, diesen Einklang sicherzustellen: Wir wollen auch künftig Technologie und Dienstleistungen entwickeln, die für jeden Menschen die Verlässlichkeit der Daseinsvorsorge mit der Veränderungskraft der Innovation verbindet. #DaSein — das muss Nahverkehr, im klassischen Linienverkehr ebenso wie in den flexiblen Bedienformen, versprechen und halten, Tag für Tag.
Die aktuelle Situation stellt viele Kommunen und kommunale Unternehmen vor große wirtschaftliche Herausforderungen. Wir nehmen dies als Ansporn, die Wirtschaftlichkeit nachfragegesteuerter Verkehre noch mehr in den Fokus zu rücken. Im eingeschwungenen Wechselspiel von Linienverkehr und Bedarfsverkehr liegt großes (verkehrliches wie wirtschaftliches) Potential, das wir mit Ihnen heben wollen. Gleichzeitig bin ich der festen Überzeugung, dass es mehr denn je Investitionen in zukunftsgewandte Infrastruktur braucht, damit wir nicht nachlassen bei unserem gemeinsamen Bestreben, nachhaltiger, vielseitiger Mobilität abseits des privaten Pkw zum Durchbruch zu verhelfen. Die Verkehrswende mag durch Corona etwas in den Hintergrund geraten sein. Verbunden mit dem Klimawandel bleibt sie aber eines der drängendsten Themen unserer Zeit und wird uns weiter beschäftigen, lange nachdem die Pandemie an Relevanz im Alltag verloren haben wird.
Von Umbruch zu Aufbruch
Die jetzige Zäsur ist die große Chance, Unsicherheit in Umbruch, Umbruch in Aufbruch zu verwandeln. Es ist richtig, dass Investitionen in neue Linien, dichtere Taktungen und moderne Fahrzeuge gehen. Ebenso richtig ist es, die Infrastruktur für den Radverkehr zu stärken, dessen Vorteile gerade jetzt noch anschaulicher deutlich werden. Aber: Unverzichtbar ist auch die Investition in digitale Infrastruktur, die als Mobilitätsplattform Verkehr effizient steuern kann und, ganz wichtig, die in der Lage ist, die zu große Angebots-Lücke zwischen dem privaten Pkw und dem Linienverkehr durch Ridepooling, also intelligenten Bedarfsverkehr, zu schließen. Diese Verkehre sind in vielen Konstellationen attraktiver und effizienter als Linienverkehre. Insbesondere im ländlichen Raum ist aber auch klar, dass sie als Teil der Daseinsvorsorge durch öffentliche Mittel getragen werden müssen. Kurzum: Verkehrswende und Mobilität müssen uns viel wert sein. Alle Ebenen — EU, Bund und Länder — sind gehalten, den Kommunen die Rolle des ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende zu ermöglichen.
Bemerkenswert: Während der Krise war es der ÖPNV, als eine der ganz wenigen Industrien, der sein Angebot nahezu durchweg aufrechterhalten hat. Dies war möglich, weil das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Nahverkehrs so groß war. Nach privatwirtschaftlichen Kriterien hätten auch Verkehrsunternehmen ihr Angebot faktisch eingestellt. Und es wird auch der ÖPNV sein, der die Verkehrswende gestaltet, weil auch hier öffentliche Interessen an ihrem Gelingen das Primat sein können — sofern jetzt die richtigen Grundlagen dafür gelegt werden. Wir denken dabei auch an die Inklusivität unserer Gesellschaft: Viele Menschen sind auf den ÖPNV angewiesen und finden sich gerade derzeit ohne ausreichend alternative Mobilität jenseits des eigenen Autos wieder. Dazu gehören nicht nur ältere und kranke Menschen, sondern auch Personen im Rollstuhl oder Familien, die sich kein eigenes Auto leisten können. Für alle ist der ÖPNV eine existentielle Garantie, um am öffentlichen Leben teilzunehmen und sollte daher für jeden gleichermaßen verfügbar sein.
In unserer ersten Ausgabe unseres Lab4Mobility Webinars diskutierte ich zusammen mit Stefan Weigele die aktuelle civity-Studie „Verkehrswende: aufgehoben oder aufgeschoben?”. Ein zentraler Punkt: Um die Fahrgäste nach dem Shut-Down zurückzugewinnen und um für künftige Szenarien aufgestellt zu sein, braucht der ÖPNV jetzt eine konzertierte Strategie. Daher haben wir von door2door innovative Konzepte und Angebote erarbeitet, die den öffentlichen Nahverkehr auch weiterhin langfristig sicher, wirtschaftlich und für alle zugänglich machen.
In den kommenden Wochen erfahren Sie mehr zu unserem umfassenden Angebot zu Krisenzeiten. Zudem finden Sie unter dem Hashtag #DaSein spannende Beiträge, die sich mit der Daseinsvorsorge zu Zeiten von Corona und darüber hinaus beschäftigen. Lassen Sie uns gemeinsam an einem öffentlichen Nahverkehr arbeiten, der für alle da sein kann.