Veröffentlicht am 29. September 2020

Einzigartige Natur statt Großstadtdschungel, Brauchtümer statt Moderne: Bayern ist über die Grenzen hinaus für seine Traditionstreue bekannt. Umso erstaunlicher, dass die Mobilität in Bayern derzeit große Sprünge macht. Wir haben uns drei neue Angebote einmal näher angeschaut.

O’fahren is! Bereits sechs neue digitale Rufbusse konnte door2door in Zusammenarbeit mit Kommunen und Unternehmen in Bayern auf die Straße bringen. Insgesamt sind es bereits acht Ridepooling-Angebote im ganzen Bundesland. Neben flexiblen Erweiterungen der Mobilität in Bayern wie dem MVG Isar- und Parkstadttiger und dem Augsburger swaxi, sind vor allem für den ländlichen Raum, der in den vergangen Jahren zunehmend von der Landflucht bedroht ist, neue Rufbus-Angebote eine wichtige Bereicherung. Sie schließen Lücken im lokalen ÖPNV-Angebot, bieten eine Alternative zum eigenen PKW, die sowohl effizient als auch flexibel ist und machen das Landleben wieder attraktiver. Aus diesem Grund haben wir ein paar Erfolgsgeschichten zur Digitalisierung auf dem bayrischen Land unter die Lupe genommen.


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Mit dem Ortsbus Murnau gegen den zunehmenden Autoverkehr

Das idyllisch gelegene Murnau zieht besonders im Frühjahr und Sommer viele Tagestouristen aus München und Umgebung an. Da der der Regionalbahnhof in Murnau nur schlecht an die weitere Region angebunden ist, nutzten bisher viele Besucher das eigene Auto für einen Ausflug ins Grüne. door2door brachte omobi im Sommer 2020 den Ortsbaus Murnau auf die Straßen.

Das idyllische Murnau

Das idyllische Murnau

Mit der Einführung eines innovativen Rufbusses setzten Clemens Deyerling und sein Team vom Mobilitäts-Startup omobi auf die Verbesserung der ÖPNV-Qualität auf dem Land und sagten dem zunehmenden PKW-Verkehr den Kampf an. Zusammen mit der Technologie von door2door sorgt omobi seit dem Sommer 2020 mit dem Ortsbaus Murnau für mehr Mobilität in Bayern.

Clemens Deyerling, das Unternehmen omobi macht es sich zum Ziel, die Versorgungslücke des ÖPNV zu schließen. Was macht omobi genau?

Clemens: omobi ist ein junges Verkehrsunternehmen welches nicht mehr hinnehmen will, dass auf dem Land die Mobilität in den 80er Jahren stehen geblieben ist. Das heißt konkret, dass wir digitale Mobilitätskonzepte für ländliche Regionen und Kommunen entwickeln und auch Betreiber eines Rufbusses in unserer Heimat Murnau sind.

Wir stehen hier erst am Anfang und das Land kann von der Digitalisierung in einem erheblichen Maß mehr profitieren als die Stadt.

— Clemens Deyerling, omobi

Warum ist die Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs auf dem Land so wichtig für die Einhaltung der Daseinsvorsorge?

Die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten bringen uns überhaupt erst in die Lage, Mobilität auf dem Land neu zu denken. Wir stehen hier erst am Anfang und das Land kann von der Digitalisierung in einem erheblichen Maß mehr profitieren als die Stadt. Nur dadurch kommt der Staat wieder in die Lage, seiner Pflicht in der Daseinsvorsorge nachzukommen.

Warum ist die Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs auf dem Land so wichtig für die Einhaltung der Daseinsvorsorge? Was für Herausforderungen bringt der klassische Linienverkehr auf dem Land mit sich?

Der klassische Linienverkehr ist auf dem Land nicht wegzudenken und bleibt auch weiterhin ein wichtiger Teil in der gesamten Mobilitätskette. Gerade für den Schülerverkehr oder stark frequentiere Pendlerstrecken ist der Linienverkehr optimal, da er effizient ist. Allerdings hat er seine Schwäche in der Breite, um die flächendeckende Versorgung mit dem ÖPNV-Angebot zu gewährleisten. Zudem ist er recht unflexibel, daher stellt er für die meisten keine Alternative zum eigenen Auto dar.

Clemens Deyerling

Clemens Deyerling beim Launch des Omobi Ortsbus Murnau in Kooperation mit doo2door.

Welche Ziele verfolgt Ihr mit dem Launch des Ortsbus Murnau für die Mobilität aber auch das Leben der Anwohner? Was sind die nächsten Schritte?

Wir möchten es möglich machen, dass alle Leute auch auf dem Land einfach und nachhaltig von einem Ort zum anderen kommen. Diese Vision treibt uns an und ist unser erklärtes Ziel, auch mit dem Ortsbus in Murnau. Seit dem Start im Juli 2020 hat sich für viele Menschen in Murnau das Leben komplett verändert: Man sieht ältere Menschen, die auf einmal wieder in den Ort kommen, um Kaffee zu trinken. Eltern, die ihre Kinder mit dem Bus zum Fußballtraining schicken. Touristen, die sich ohne Auto von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit bewegen können, und abgelegene Biergärten, die nun gut zu erreichen sind. Die nächsten Schritte sind eine Ausweitung des Betriebsgebietes um Murnau herum und weitere neue Projekte in der Umgebung.

In unserem Webinar erzählte Clemens Deyerling mehr über das neue Rufbus-Angebot in Murnau. Erfahren Sie mehr in der zur Aufzeichnung des Lab4 Mobility Webinars.

Hofer LandBus: Feinerschließung für mehr Mobilität in Bayern

Der Hofer LandBus

Der Hofer LandBus ist seit September 2019 auf den Straßen des Landkreis Hof im Einsatz.

Seit September 2019 fährt im fränkischen Landkreis Hof auf 120 Quadratkilometern der Gemeinden Rehau und Regnitzlosau der Hofer LandBus. Das Angebot für mehr Mobilität in Bayern ist eines der ambitioniertesten On-Demand-Projekte im ländlichen Raum mit hoher Verfügbarkeit und Haltestellendichte: 170 virtuelle Haltestellen verteilen sich auf das gesamte Gebiet. Zudem spielt die Zusammenarbeit mit lokalen Taxiunternehmen eine wichtige Rolle. Andreas Weinrich, Geschäftsführer Logistik Agentur Oberfranken e.V., und Korbinian Göths, Verkehrsplaner für „Mobilität digital Hochfranken”, betreuen das Projekt Hofer LandBus.

Mit dem Hofer LandBus soll mehr Mobilität in Bayern und dadurch auch mehr Anreize für ein Leben auf dem Land geschaffen werden. Wie gestaltet man den herkömmlichen ländlichen öffentlichen Nahverkehr noch benutzerfreundlicher und zugänglicher?

Weinrich: Die ländliche Mobilität in Bayern ist sehr stark von der Pflichtaufgabe der Schülertransporte geprägt. Außerhalb der Schulzeiten und in den Ferien schränkt sich das Angebot oftmals ein. Bedarfsgesteuerte Angebote wie der Hofer LandBus ermöglichen eine deutlich ausgeweitete Bedienzeit und schaffen damit erst ein flächendeckendes Angebot.

Göths: Es ist wichtig, Angebote vom Nutzer aus zu denken. Das heißt, offen für Neues sein, auf die Wünsche aus der Bevölkerung eingehen und „alte Pfade“ mit neuen Ideen kombinieren. Der ÖPNV im ländlichen Raum steht daher vor einigen Herausforderungen.

Ziel des Landkreis Hof ist es, auch kleinere Ortsteile an den ÖPNV anzubinden, um möglichst vielen Menschen Zugang zu Mobilität zu ermöglichen. Konkret bedeutet das auch, dass der ÖPNV nicht nur aus „Schülerverkehren“ bestehen kann, um gegenüber dem PKW wettbewerbsfähig zu sein. Der Hofer LandBus rückt die Nutzer noch stärker in den Mittelpunkt und zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus.

Zudem werden viele Angebote des ÖPNV nicht von den Nutzern wahrgenommen, da sie im Straßenbild nicht präsent genug sind. Der Landkreis Hof hat die virtuellen Haltestellen des Hofer LandBusses deshalb mit Haltestellenschildern gekennzeichnet.

Haltestellenschild

Wer 10 Jahre mit dem PKW zur Arbeit fährt wird außerdem nicht eines morgens einfach aufstehen und sich für den Bus oder das Rad entscheiden. Dafür muss ein Nachdenkprozess angestoßen wurde, in dem die Vorteile des Umweltverbunds bewusst werden. Bei allen Maßnahmen ist es wichtig, dass die Nutzer ein funktionierendes und verlässliches Angebot vorfinden und sich leicht informieren können.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Hofer LandBus?

Weinrich: Die Überzeugungsleistung und die Werbung für das Produkt zum einen auf der Seite der (wohlwollenden) Genehmigungsbehörden und zum anderen bei den Nutzern. Die demografische Altersstruktur im ländlichen Raum erschwerte das Projekt, weil eine telefonische Buchung als zwingend erforderlich erachtet wird. Zusätzlich bestand eine Herausforderung darin, einen passenden Partner für den Betrieb zu finden.

Mit Lösungen wie dem Hofer LandBus können auch Bewohner sehr kleiner Ortsteile von einer Mobilität wie in Großstädten profitieren, ohne dass im 10-Minuten-Takt leere Busse entlang starrer Linien fahren.— Korbinian Göths, Verkehrsplaner für „Mobilität digital Hochfranken“

Göths: Die Regierung von Oberfranken war dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen, musste aber zunächst nachfragen, ob und wie eine Genehmigung überhaupt möglich ist, da das PBefG solche Verkehre bisher nicht vorsieht. Dies wird sich voraussichtlich ab der kommenden Novelle ändern.

Auch die Suche nach einem Verkehrsunternehmen gestaltete sich nicht einfach. Ein solches Projekt ist auch für die beteiligten Unternehmen eine Herausforderung und benötigt viel lokales Know-How. Bis kurz vor Ausschreibungsende konnten wir uns nicht sicher sein, ob wir einen Partner finden, der uns beim Hofer LandBus unterstützt.

Zudem war das Marketing schwierig: Wie kann man Menschen für den ÖPNV begeistern, wenn die meisten ein Auto besitzen? Schlussendlich haben wir vor allem durch den persönlichen Kontakt die Bevölkerung auf das Angebot aufmerksam machen können. Auf Veranstaltungen wurde das Angebot vorgestellt und der Hofer LandBus besuchte verschiedene Feste und Märkte mit einem Infostand. Eine der wichtigsten Fragen aus der Bevölkerung betraf die Buchung: Der Wunsch nach einer telefonischen Buchbarkeit war groß. Einige besitzen zwar ein Smartphone, wussten aber nicht wie man darauf Apps installiert. Wir haben uns die Zeit genommen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Vorteile der App-Buchung zu erklären.Rückblickend hat sich dieser Aufwand gelohnt: Die Hofer LandBus-App zählt mittlerweile 3.000 registrierte Nutzer. Rein rechnerisch ist das jeder Vierte Einwohner von Regnitzlosau und Rehau. In der Corona-Hochphase sind die Fahrgastzahlen zwar gesunken, der Hofer LandBus wurde aber weiterhin genutzt und erholt sich mittlerweile schnell.

Wie können innovative Mobilitätsangebote die Lebensqualität beeinflussen und zur Verminderung der Landflucht beitragen?

Weinrich: Der ländliche Raum ist dann attraktiv, wenn er Arbeitsplätze in allen Qualifikationsstufen anbieten kann. Dies ist die Grundvoraussetzung. Er muss aber ebenso für die bleibenden als auch zuziehenden Menschen ein gutes ÖPNV-Angebot haben. Dies wird sich auf Grund der Bevölkerungsdichte zu vertretbaren Kosten nur mit innovativen Angeboten abbilden lassen. Neue Arbeitsplätze werden im Gegenzug nur dann entstehen, wenn ansiedelnde Unternehmen wissen, dass ihre Betriebe nicht nur mit privatem PKW erreichbar sind. Insofern bedingen sich diese Themen gegenseitig.

Göths: In den Landkreis Hof kommen sehr häufig neue oder auch heimkehrende Einwohner. Diese konnten zuvor jahrelang von den Mobilitätsangeboten in Großstädten profitieren, finden aber auch Gefallen an Natur und Erholung im Hofer Land. Sie sind es gewohnt, den ÖPNV zu nutzen und sind offen für „alternative“ Mobilitätsformen. Mit Lösungen wie dem Hofer LandBus können auch Bewohner sehr kleiner Ortsteile von einer Mobilität wie in Großstädten profitieren, ohne dass im 10-Minuten-Takt leere Busse entlang starrer Linien fahren.

Neue Einwohner können wie gewohnt den ÖPNV nutzen. Davon profitieren nicht nur Einheimische, sondern auch Gäste. Ein innovativer ÖPNV wie in Großstädten bedeutet kurze Wege zur Haltestelle, bezahlbare Mobilität und kurze Wartezeiten. Im Normalfall holt der Hofer LandBus den Kunden innerhalb von 10 Minuten ab. Kurze Distanzen zur nächsten Haltestelle ermöglichen zudem auch Menschen mit motorischen Einschränkungen die Nutzung des ÖPNV. Um dies zu unterstützen, steht beim Hofer LandBus auch ein rollstuhlgeeignetes Fahrzeug zur Verfügung.

Die Vorausbuchung ermöglicht es, Reiseketten anzubieten. Aus diesem Grund können Fahrgäste mit dem Zug zum Bahnhof und von dort aus dann mit dem Hofer LandBus ans Ziel, ohne lange warten zu müssen oder Angst zu haben, den Anschluss zu verpassen. Flexible Angebote wie der Hofer LandBus sind umweltfreundlich, da sie nur bei Bedarf fahren und ähnliche Fahrten poolen, um den Ressourcenbedarf klein zu halten.

Auch die Umwelt profitiert vom Hofer LandBus: Im Gegensatz zum herkömmlichen ÖPNV wird nur gefahren, wenn Nachfrage besteht. Im Gegensatz zum Auto werden durch das Ridepooling Fahrten vermieden. Innovative Mobilitätsangebote helfen, dem ländlichen Raum einen entscheidenden Nachteil gegenüber Großstädten auszugleichen: Der Verzicht auf den Zweitwagen wird erleichtert, während die Vorteile des ländlichen Raums bestehen bleiben.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Hofer LandBus im Gebiet Rehau & Regnitzlosau wird derzeit überlegt, wie der Hofer LandBus auch in anderen Landkreisgemeinden eingesetzt werden kann. Die Abstimmung mit den bestehenden Verkehren und die Verzahnung der verschiedenen Angebote wird hierbei eine immer bedeutendere Rolle einnehmen.

Erfahren Sie mehr über Mobilität in Bayern: Lesen sie Unsere Erfolgsgeschichten aus München und Freyung.

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